Brina Stein
Kreuzfahrt mit Papa
Prolog
Der Abend davor …
Sabine lief nun schon das dritte Mal innerhalb der letzten Stunde vom Schlafzimmer ins Wohnzimmer, wo das Mobilteil ihres Festnetzgeräts lag. Sie musste gar nicht erst auf das Display schauen, denn für Papa hatte sie schon seit Langem einen bestimmten Klingelton in ihrem Telefon eingestellt. Es war eine Mischung zwischen einem Militärmarsch und dem Rauschen des Meeres. Sie drückte den Annahmeknopf: „Papa?“ „S-a-b-i-n-e“, begann er und zog wie immer ihren Vornamen unendlich in die Länge.

Der Autorin ist es hier mal wieder ausgezeichnet gelungen, einen leichten, sehr gut lesbaren Roman zu schreiben. Selten einmal habe ich ein Buch so schnell durchgelesen.
Blogger Michael Engel
Sie trommelte nervös mit den Fingern auf der Glasplatte des Wohnzimmertisches. Es war jetzt 21 Uhr, der Koffer war noch lange nicht fertig gepackt und um 22 Uhr hatte sie ihren Nachbarn Ralf auf ein Glas Wein eingeladen. Er sollte in der kommenden Woche ihre Blumen gießen, wenn sie mit Papa auf Reisen ging. Wie immer nervte sie die überaus korrekte Form ihrer Namensnennung. Niemand auf der Welt nannte sie S-a-b-i-n-e! Das klang auch irgendwie so bieder. Sie war die Bini, ob im Job, privat oder in ihrer Stammkneipe um die Ecke. S-a-b-i-n-e nannte sie nur ihr Vater und früher eben Mama.
„Was ist denn jetzt noch?“, fragte sie unwirsch und ohne Begrüßung in den Hörer.
„Ich habe jetzt noch mal ganz genau die Reiseunterlagen durchgelesen. Auch das Kleingedruckte. Zehn Seiten! Da gibt es noch einiges zu beachten. Also, ich beginne mal auf Seite drei“, erläuterte Papa, wurde aber sofort von seiner Tochter unterbrochen:
„Bring es bitte auf den Punkt, ich habe meinen Koffer immer noch nicht fertig gepackt.“
„Du weißt nun seit vier Wochen, dass wir zusammen verreisen, warum müsst ihr jungen Leute alles immer auf den letzten Drücker erledigen“, echauffierte sich ihr Vater und schüttelte mit dem Kopf, was Sabine natürlich nicht sehen konnte.
Sie selbst tat dies ebenfalls, doch aus einem ganz anderen Grund. Erstens empfand sie sich selbst mit 49 Jahren überhaupt nicht mehr als jung und zweitens wurde ihr gerade bewusst, dass sie ab morgen tatsächlich eine ganze Woche mit ihrem Vater verbringen würde. Sie lebte schon lange in Berlin, er in Husum, wo sie aufgewachsen war und wo rein gar nichts los war. Papa war früher Fischer gewesen und fast 50 Jahre zur See gefahren. Nach dem Abi war sie förmlich geflüchtet aus der elterlichen, ländlichen Obhut und hatte ihr Studium im Bereich Marketing nur zu gern in der Großstadt aufgenommen, die schließlich 1990 wieder zur Hauptstadt wurde. Zu diesem Zeitpunkt arbeitete sie als Studentin bereits für eine große Marketingfirma und organisierte die komplette PR-Arbeit für die große Einheitsfeier. Auf einem Charité-Event der Einheitsfeierlichkeiten hatte sie den berühmten Herzchirurgen Michael Berg kennengelernt. Zwischen Kanapees und einigen Rednern war der Funke übergesprungen und Michael, gebürtiger Berliner mit hervorragenden Kontakten, hatte dafür gesorgt, dass seine neue Freundin mit ihrer Agentur schließlich komplett in die Berliner High Society aufgestiegen war.



Er war im ehemaligen Osten aufgewachsen und wie oft hatte Bini ihn ihren Jungen aus Ost-Berlin genannt. Eine Liebe, die sich normalerweise nie gefunden hätte, wäre die Gren- ze nicht gefallen. 1999 hatten sie geheiratet und immerhin fast 20 Jahre eine, wie sie fand, glückliche Ehe geführt. Den Wunsch nach Kindern hatten sie beide nicht verspürt, da sich jeder mit seinem Business ausgelastet gefühlt hatte. Der Traum war im letzten November zerplatzt, als Michael ihr erklärt hatte, dass seine neue Assistentin im Büro doch mehr als nur eine Mitarbeiterin für ihn sei und er aus der gemeinsamen Villa im Grunewald ausziehen würde. Sabine hatte ihn ungläubig angesehen.